Die stille Krise im deutschen Mittelstand
Die Unternehmensnachfolge in Deutschland ist längst zu einer gesamtwirtschaftlichen Herausforderung geworden. Laut dem Institut für Mittelstandsforschung (IfM Bonn) stehen jährlich über 20.000 Unternehmen zur Übergabe an – viele davon haben noch keinen Nachfolgeplan. Besonders betroffen sind inhabergeführte Betriebe im Handwerk, Handel und in der Industrie.
Die Zahlen sind alarmierend: Fast ein Drittel der Unternehmensinhaber:innen ist über 55 Jahre alt. In vielen Fällen fehlt der Nachwuchs – sei es durch Desinteresse, andere Lebensentwürfe oder fehlende Qualifikation. Das hat nicht nur Folgen für die Unternehmer:innen selbst, sondern auch für Mitarbeitende, Lieferketten und ganze Regionen.

Was genau bedeutet Unternehmensnachfolge?
- Familiäre Nachfolge: Die Kinder oder Angehörigen übernehmen das Unternehmen.
- Externe Nachfolge: Eine außenstehende Person oder ein Unternehmen kauft den Betrieb.
- MBO (Management-Buy-Out): Führungskräfte aus dem Unternehmen übernehmen die Firma.
- MBI (Management-Buy-In): Externe Manager:innen kaufen sich ein und führen das Unternehmen weiter.
Die Unternehmensnachfolge ist nicht nur eine rechtliche und wirtschaftliche Herausforderung – sondern auch eine emotionale Entscheidung. Viele Unternehmer:innen haben ihr Lebenswerk über Jahrzehnte aufgebaut. Eine gute Nachfolgelösung ist daher essenziell – nicht nur für den eigenen Ruhestand, sondern für den Fortbestand des Betriebs.

Was passiert, wenn niemand übernimmt?
Wird keine Unternehmensnachfolge geregelt, drohen gravierende Folgen. Ohne Nachfolgerin oder Nachfolger muss der Betrieb häufig liquidiert werden – also Schritt für Schritt abgewickelt. Das bedeutet: Maschinen werden verkauft, Mitarbeitende entlassen, Kundenbeziehungen gekappt. Ein Prozess, der oft nicht nur emotional belastend ist, sondern auch finanziell.
Besonders tragisch ist dies bei gesunden Unternehmen mit vollen Auftragsbüchern – allein weil sich keine Person für die Nachfolge findet. Neben dem wirtschaftlichen Verlust gehen auch regionale Arbeitsplätze und wertvolle Branchenexpertise verloren.
Warum die Nachfolge so oft scheitert
- Fehlende Planung: Viele Unternehmer:innen schieben das Thema zu lange vor sich her.
- Unrealistische Preisvorstellungen: Verkäufer und Käufer haben oft unterschiedliche Vorstellungen vom Unternehmenswert.
- Fehlende Übergabebereitschaft: Manche Inhaber:innen können sich emotional nicht vom Unternehmen lösen.
- Mangel an Interessierten: In bestimmten Branchen (z. B. Handwerk, Einzelhandel) gibt es kaum Übernahmeinteressierte.
- Generationskonflikte: In Familienbetrieben kann es zu Differenzen über die Unternehmensausrichtung kommen.
Ein erfolgreicher Übergang braucht also nicht nur Zeit, sondern auch Offenheit, externe Beratung und eine realistische Einschätzung der Situation.

Lösungen und Fördermöglichkeiten
Die gute Nachricht: Es gibt viele Angebote, um die Unternehmensnachfolge in Deutschland aktiv zu gestalten. Öffentliche Förderprogramme, Nachfolgebörsen und Beratungsstellen bieten Orientierung und Unterstützung.
- nexxt-change.org: Die offizielle Unternehmensnachfolgebörse des BMWK
- IHK & Handwerkskammern: Regionale Beratung zur Übergabe und Unternehmensbewertung
- KfW-Bank: Förderkredite für Übernahmen und Gründungen im Rahmen der Nachfolge
- Beratungszuschüsse: Gefördert durch das BAFA – z. B. für externe Nachfolgecoaches
Je früher Unternehmer:innen mit der Nachfolgeplanung beginnen, desto höher sind die Chancen auf einen gelungenen Übergang. Ideal ist ein Zeithorizont von 3–5 Jahren – damit genügend Zeit bleibt für Gespräche, Verhandlungen und eine reibungslose Übergabe.
Unternehmensnachfolge durch Verkauf: So läuft es ab
Wenn die Nachfolge nicht innerhalb der Familie geregelt wird, kommt ein externer Unternehmensverkauf infrage. Der Prozess läuft meist in folgenden Schritten ab:
- Unternehmensbewertung: Ein:e Expert:in ermittelt den realistischen Marktwert.
- Nachfolger finden: Über Netzwerke, Plattformen wie nexxt-change oder Berater:innen.
- Verhandlung & Übergabe: Klare Verträge, Zeit für Einarbeitung und Wissenstransfer einplanen.
Wichtig: Ein Verkaufsprozess dauert oft mehrere Monate – je nach Branche und Unternehmensgröße sogar Jahre. Wer zu spät anfängt, riskiert einen Notverkauf oder eine Liquidation.

Unternehmensnachfolge in der Familie: Chancen & Herausforderungen
Rund die Hälfte aller Nachfolgen in Deutschland findet innerhalb der Familie statt. Das bringt Vorteile wie Vertrauen, emotionale Bindung und oft eine ähnliche Wertebasis – aber auch Risiken:
- Unklare Rollendefinitionen zwischen Generationen
- Emotionale Konflikte oder überzogene Erwartungen
- Fehlende fachliche oder unternehmerische Eignung
Erfolg bringt eine frühzeitige Einbindung der Nachfolger:innen in strategische Entscheidungen, eine offene Kommunikation – und externe Moderation, wenn nötig.
Unternehmensnachfolge ohne Erbe: Diese Alternativen gibt es
Wer keine:n Nachfolger:in in der Familie hat und nicht verkaufen möchte, kann andere Wege gehen:
- Mitarbeiterbeteiligung: Zum Beispiel durch ein Management-Buy-out (MBO) oder ein Genossenschaftsmodell
- Stiftungslösungen: Bei gemeinwohlorientierten Unternehmen möglich
- Interimslösungen: Übergangsweise durch externe Geschäftsführung mit späterem Verkauf
Auch diese Wege erfordern gute Planung und rechtliche Absicherung – bieten aber spannende Optionen für Unternehmen ohne klassische Nachfolge.
Fazit: Die Unternehmensnachfolge ist kein Tabuthema – sondern Zukunftssicherung
Ob Familie, Verkauf oder alternative Modelle: Die Nachfolge ist gestaltbar – wenn man sie rechtzeitig anpackt.
Häufige Fragen und Antworten zur Unternehmensnachfolge in Deutschland
Weiterführende Informationen zur Unternehmensnachfolge
Wer sich intensiver mit der Unternehmensnachfolge in Deutschland beschäftigen möchte, findet in den folgenden Quellen vertiefende Informationen, praktische Leitfäden und Anlaufstellen:
- nexxt-change.org – Unternehmensnachfolge-Börse
Offizielle Nachfolge-Plattform des Bundesministeriums für Wirtschaft – hier finden Übergebende und Nachfolger:innen zueinander. - existenzgruender.de – Unternehmensübernahme
Ausführliche Informationen zu Übernahmeformen, Bewertung, Finanzierung und rechtlichen Aspekten. - KfW Research – Nachfolgemonitor
Studien und Statistiken zur Nachfolgesituation im deutschen Mittelstand. - handwerksblatt.de – Spezial zur Nachfolge im Handwerk
Praktische Beispiele und Artikel speziell für Familienbetriebe und das Handwerk. - DIHK – Unternehmensnachfolge
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag bietet Informationen, Ansprechpartner und regionale Unterstützung.